Mit 17.07.2021 trat rückwirkend die neue Restrukturierungsordnung, welche aufgrund der unionsrechtlichen Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (RIRL) umgesetzt wurde, in Kraft. Damit wurde neben dem Reorganisationsverfahren nach dem URG ein weiteres gerichtliches Verfahren geschaffen, um eine Insolvenz zu vermeiden. Das Reorganisationsverfahren nach dem URG existiert bereits seit 1997, dieses sieht jedoch keine konkreten Entschuldungsinstrumente vor. Daneben existieren die „Grundsätze zur Restrukturierung in Österreich“, welche jedoch rechtlich unverbindlich sind. Mit der Einführung der neuen Restrukturierungsordnung wird eine rechtliche Grundlage mit konkreten Entschuldungsinstrumenten geschaffen, welche Unternehmen vor Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit iSd Insolvenzordnung helfen sollen den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Antrag:
Das Restrukturierungsverfahren kommt in Betracht, wenn sich das Unternehmen im Zustand wahrscheinlicher Insolvenz befindet. Dieser Zustand wird einerseits bei einer Bestandsgefährdung anknüpfend an § 273 Abs 2 UGB oder ab dem Erreichen der URG-Kennzahlen (fiktive Schuldentilgungsdauer über 15 Jahre und eine Eigenmittelquote unter 8%) vermutet. Das Verfahren kann nur auf Antrag des Schuldners bei Gericht eingeleitet werden. Weiters kann das Verfahren wahlweise in der Ediktsdatei veröffentlicht werden. Eine Veröffentlichung hat den Vorteil, dass das Verfahren europaweit anzuerkennen ist.
Eigenverwaltung:
Grundsätzlich ist für das Verfahren Eigenverwaltung vorgesehen. Das bedeutet, dass der Unternehmer die Kontrolle über seine Vermögenswerte und die Führung des Betriebs behält. Unter bestimmten Umständen ist ein Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen, welcher den Unternehmer beispielsweise bei der Umsetzung des Restrukturierungsplans unterstützen soll. Im Gegensatz dazu ist im Insolvenzverfahren Eigenverwaltung grundsätzlich nicht vorgesehen.
Restrukturierungsplan:
Der Restrukturierungsplan stellt das wichtigste Element des Verfahrens dar. Hier werden unter anderem die wirtschaftliche Situation des Unternehmens dargelegt, die konkreten Maßnahmen für die Restrukturierung erläutert, die betroffenen Gläubiger und Gläubigerklassen bestimmt und die miteinbezogenen Forderungen angeführt.
Anders als bei außergerichtlichen Sanierungen, bei denen es die Zustimmung sämtlicher betroffenen Gläubiger bedarf, ist es bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan ausreichend, wenn die Mehrheit jeder Gläubigerklasse zustimmt (einfache Kopfmehrheit und 75% Forderungsmehrheit). Neben der Annahme durch die Gläubiger bedarf der Restrukturierungsplan gemäß § 29 Abs 1 ReO auch der Bestätigung durch das Gericht. Wenn die Zustimmung einzelner Gläubigerklassen fehlt, aber die restlichen Bedingungen erfüllt sind, kann sie vom Gericht ersetzt werden („klassenübergreifender Cram-down“). Mit dieser gerichtlichen Möglichkeit der Zustimmung wird das Umsetzen eines Restrukturierungsverfahrens trotz sogenannter Akkordstörer gewährleistet. Sind von der Restrukturierung ausschließlich Finanzgläubiger betroffen, besteht die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens.
Vollstreckungssperre
Als weiteres Instrument des Restrukturierungsverfahrens ist die Vollstreckungssperre zu nennen. Hierbei kann auf Antrag des Schuldners gerichtlich vorgesehen werden, dass sämtliche Anträge von Gläubigern auf eine Exekution des Vermögens nicht bewilligt werden dürfen. Die Vollstreckungssperre umfasst auch besicherte Forderungen. Jedoch sind trotz einer Vollstreckungssperre die Anhangangaben iSd § 237 Abs 1 Z 5 UGB bezüglich bestehender Sicherheiten im Jahresabschluss vorzunehmen. Exekutionen gegen Drittsicherheitengeber oder gegen Bürgen sind nicht umfasst. Darüber hinaus darf seitens der Gläubiger kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht mehr erworben werden und noch zu erfüllende, wesentliche Verträge mit dem Schuldner dürfen nicht vorzeitig fällig gestellt, gekündigt oder für den Schuldner nachteilig abgeändert werden. Die Vollstreckungssperre soll einerseits die Durchsetzung der konkreten Maßnahmen im Rahmen der Restrukturierung erleichtern, aber auch eine Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit gewährleisten. Sie ist maximal für 3 Monate vorgesehen, wobei die Dauer unter bestimmten Umständen verlängert werden kann.
Das neue Bundesgesetz über die Restrukturierung von Unternehmen wurde veröffentlicht. Informationen zu den bilanziellen Auswirkungen von Restrukturierungsmaßnahmen können in diesem Beitrag der Blogreihe Unternehmensrecht aktuell gefunden werden. Ebenfalls verweisen wir für ausführlichere Informationen zur Restrukturierungsordnung auf die Experten Dr. Michael Lind, LL.M. und Dr.Florian Dollenz aus dem Team: Restrukturierung & Insolvenzrecht von PwC Legal Österreich. Ihr Blogbeitrag zur Restrukturierungsordnung kann unter dem PwC Legal Blog gefunden werden.