Regulierung und Konsum, Umwelt und technologische Innovationen – die Rahmenbedingungen für die Märkte verändern sich rasant. Erscheinungsformen der sogenannten VUCA-Faktoren (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) sind vielfältig, auch geopolitische Faktoren wie der Angriff Russlands auf die Ukraine haben weitreichende Auswirkungen auch auf Marktstrukturen.
Wie gehen Verantwortliche in Unternehmen mit Unsicherheitsfaktoren um? Auf welche Strategien setzen sie – und mit welchem Erfolg?
Antworten auf diese und weitere Fragen gibt die aktuelle PwC Portfolio Management Studie 2022. Entstanden ist sie in Kooperation mit dem Meinungsforschungsinstitut Kantar und der Technischen Universität Darmstadt.
„Dass Unternehmen die Maßnahmen, die die operativen Strukturen optimieren, weitaus konsequenter implementieren als die strategischen, ist nachvollziehbar. Denn strategische Maßnahmen sind meist weniger greifbar und deutlich komplexer – wirken sich aber umso stärker auf die langfristige Positionierung aus."
Über 50% der befragten Entscheider:innen äußerten sich mit Blick auf ihre Wachstumschancen im Fünf-Jahreszeitraum überwiegend optimistisch. Die negativen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie sind in ihren Augen weitgehend überwunden. Der Ukraine-Krieg hat den Optimismus zwar gedämpft, jedoch sind Börsen und allgemeine Wirtschaftslage bisher vergleichsweise stabil geblieben. Auswirkungen auf Energiepreise, Lieferengpässe oder Zinserhöhungen hatten sich bereits vor dem Konflikt abgezeichnet und waren daher in Teilen mit eingepreist.
Insgesamt 46 Prozent der Befragten rechnen damit, dass die VUCA-Faktoren sich künftig weiter verstärken werden. Das erscheint moderat, muss aber auch vor dem Hintergrund der jüngsten Eindrücke vermehrter VUCA Ereignisse betrachtet werden.
Befragt danach, wie unabhängig von externen Faktoren bzw. Stakeholdern sich Entscheider:innen bei der Unternehmenssteuerung fühlen, lagen die Ergebnisse im mittleren Bereich (durchschnittlich 3,1 von 5 Punkten). Das sind etwas weniger als 2020 (3,4/5). Die Befragten räumten aber eine eher geringe Abhängigkeit von Finanzinvestoren ein (3,4 von 4 Punkten) – dies steht im Widerspruch zu der historisch hohen Dealaktivität von Finanzinvestoren und muss daher mit Vorsicht betrachtet werden.
Die Unternehmensverantwortlichen nehmen durchaus einen Paradigmenwechsel wahr – weg von kontinuierlichem Wachstum in einem recht stabilen Marktumfeld hin zu deutlich volatileren Märkten und schnelleren Marktverschiebungen. Dies findet seine Entsprechung in den strategischen Ansätzen der Befragten: 59 Prozent verfolgen einen „Adapter“-Ansatz zu verfolgen, der flexibel auf Marktänderungen reagiert und Risiken minimiert. 41 Prozent sehen sich als „Preserver“: Sie fokussieren darauf, bestehende Strukturen zu optimieren und Effizienzpotenziale zu heben.
Aber: Befragt nach den wichtigsten Umsetzungsmaßnahmen, nannten die Befragten deutlich häufiger organische Maßnahmen wie Wachstumsprogramme (73,5 Prozent), Restrukturierung (69,5 Prozent) sowie Forschung und Entwicklung (49 Prozent) – also solche Maßnahmen, die eher dem „Presever“-Ansatz zuzuordnen sind. Anorganische Maßnahmen waren für die Befragten entsprechend weniger relevant – die drei meistgenannten waren Unternehmenskäufe (44 Prozent), Joint Ventures (27,5 Prozent) und Carve-outs (8,5 Prozent).
Mit anderen Worten: In der Praxis setzen die Unternehmensverantwortlichen den von ihnen bevorzugten strategischen Portfolio-Managament-Ansatz noch nicht konsequent genug um.
In einem komplexen und unsicheren Marktumfeld ist ein institutionalisierter Portfolio Management Ansatz umso wichtiger. 69 Prozent der Befragten gaben an, einen strategischen Portfolio Management Ansatz zumindest teilweise implementiert zu haben. 77,5 Prozent von ihnen meinten, diesen transparent und nach messbaren Kriterien durchzuführen.
Die Implementierung scheint also die größte Hürde zu sein – ist ein strategischer Portfolio Management Ansatz erst einmal implementiert, wird dieser meist auch professionell durchgeführt.
Allerdings sagten nur 7,2 Prozent der Befragten, dass sie eine Unternehmenseinheit rasch verkaufen würden, wenn sie gemäß dem Portfolio Management Ansatz nicht mehr zum Kerngeschäft zählt.
57 Prozent der Befragten rechnen damit, dass die Komplexität der operativen Unternehmensstrukturen in den kommenden fünf Jahren linear zunehmen wird. 21 Prozent gehen sogar von einer exponentiellen Komplexitätszunahme aus. Demgegenüber erwarten lediglich 21,5 Prozent eine gleichbleibende bzw. abnehmende Komplexität.
Um Schnittstellen und Schwachpunkte der operativen Strukturen zu erkennen, müssen Unternehmensverantwortliche diese Strukturen genau verstehen und auf ein zunehmend volatiles Marktumfeld hin optimieren. Dafür benötigt es einen standardisierten Ansatz.
66,5 Prozent der Entscheider gaben an, dass ihr Unternehmen zumindest teilweise einen Ansatz zur Steuerung der operativen Strukturen implementiert hat (voll implementiert: 20,5 Prozent, teilweise implementiert: 46 Prozent). 80,5 Prozent der Befragten, die einen solchen Ansatz implementiert haben, sagten, dass dieser nach transparenten und messbaren Kriterien durchgeführt wird.
Und: Anders als beim Ansatz zur Steuerung des Unternehmensportfolios setzen die Befragten die abgeleiteten Maßnahmen zur Optimierung der operativen Strukturen offenbar sehr konsequent um: 78,2 Prozent äußerten sich so. Diese Diskrepanz zugunsten der operativen Strukturen ist nachvollziehbar – schließlich sind entsprechende Maßnahmen meist greifbarer und weniger komplex. Demgegenüber wirken sich strategische Maßnahmen deutlich stärker auf die langfristige Wettbewerbspositionierung aus.
„Es ist auffällig, wie selten sich in Österreich Unternehmensverantwortliche von Unternehmensbereichen trennen, für die sie gemäß der strategischen Analyse nicht mehr der beste Eigentümer sind. Statt sich mit Randthemen zu befassen, wird für das Management das konsequente Verfolgen von “Adapter”-Maßnahmen umso wichtiger, je komplexer und unsicherer das Marktumfeld ist.“
An der Studie nahmen 200 Entscheider:innen aus Vorstand, Strategie und M&A teil. Die Untersuchung konzentriert sich auf Unternehmen aus der DACH-Region mit mehr als 200 Millionen Euro Umsatz. 79,5 Prozent von ihnen haben ihren Sitz in Deutschland, 17,5 Prozent in Österreich und drei Prozent in der Schweiz. Sie sind in unterschiedlichsten Branchen aktiv, darunter Energiewirtschaft, Infrastruktur, Gesundheistwesen, Industrielle Produktion, Technologie, Medien und Telekommunikation und andere.
Das renommierte, unabhängige Meinungsforschungsinstitut KANTAR hat die Teilnehmenden telefonisch interviewt. Das Studiendesign erstellte PwC gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt. Die Analyse führte das Fachgebiet Unternehmensfinanzierung unter Leitung von Prof. Dr. Dirk Schiereck durch.