Am 24. April 2024 wurde die Richtlinie (EU) 2024/1226 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen (Sanktionen) der Union veröffentlicht. Hintergrund dieser Initiative ist es, den bestehenden Anwendungsbereich auszuweiten und Umgehungen der aktuell geltenden Regelungen zu minimieren. Die Durchsetzung von EU-Sanktionen und die damit verbundene Ahndung von Verstößen oblag bislang den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten selbst. Dadurch sind innerhalb der EU erhebliche Unterschiede in der Ahndung von Sanktionsverstößen entstanden. Diese Richtlinie soll wegweisend sein und den Grundstein für eine EU-weite harmonisierte Regelungspraxis hinsichtlich Sanktionsverstößen legen.
Dies soll insbesondere durch einen neu konzipierten Handlungskatalog und die Anhebung des Strafrahmens für natürliche und juristische Personen gewährleistet werden. Künftig drohen natürlichen Personen im Falle eines Sanktionsverstoßes bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Für juristische Personen ist sogar eine prozentabhängige Geldbuße gemessen am weltweiten Gesamtumsatz des vergangenen Geschäftsjahres oder ein festgelegter Höchstbetrag i. H. v. 40.000.000 EUR vorgesehen.
Kernelemente der Richtlinie 2024/1226
Definition von Straftatbeständen
Der Artikel 3 Absatz 1 RL 2024/1226 enthält nun einen Katalog von Handlungen, welcher vorsätzliche Sanktionsverstöße künftig unter Strafe stellt und von den Mitgliedsstaaten verpflichtend umgesetzt werden muss.
Dazu zählen insbesondere Verstöße gegen restriktive Maßnahmen der Europäischen Union, wie
Von besonderer Bedeutung sind hierbei Verstöße gegen das Bereitstellungs- oder Umgehungsverbot. Bei einem Bereitstellungsverbot ist es untersagt, Finanzmittel oder wirtschaftliche Ressourcen an bestimmte Länder, Personen oder Einrichtungen zur Verfügung zu stellen bzw. diesen bereitzustellen. Darunter fällt bereits die bloße Vertragserfüllung, sobald die Gegenpartei sanktioniert ist. Durch das Umgehungsverbot soll sichergestellt werden, dass Ziel und Zweck der wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen nicht durch Umgehungshandlungen vereitelt werden. Verletzungen im Hinblick auf das Umgehungsverbot konnten in der Vergangenheit insbesondere in Verbindung mit den Russland-Sanktionen beobachtet werden.
Auch Verstöße, welche grob fahrlässig begangen worden sind, sollen zukünftig explizit i. S. d. Art. 3 Abs. 3 RL 2024/1226 als Straftat gelten, soweit Militärgüter oder Dual-Use-Güter betroffen sind. Grob fahrlässig handelt, wer die jeweils erforderliche Sorgfalt nach den Gesamtumständen des Falls in außergewöhnlich hohem Maße verletzt, d. h. ganz naheliegende, einfachste Überlegungen unterlässt und nicht beachtet, was jedem hätte einleuchten müssen.
Die Mitgliedsstaaten müssen weiterhin Maßnahmen ergreifen, welche sicherstellen, dass die Anstiftung und Beihilfe sowie der Versuch einer Begehung gemäß Art. 4 RL 2024/1226 geahndet werden.
Strafbarkeit für natürliche Personen gemäß Art. 5
Natürlichen Personen soll fortan im Falle eines Verstoßes gegen den neu konzipierten Handlungskatalog ein Freiheitsentzug von mindestens einem Jahr bis höchstens fünf Jahre gemäß Art. 5 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 RL 2024/1226 drohen. Hier ist eine Berücksichtigung des verletzten Tatbestands und der definierten Schwellenwerte (i. d. R. mind. 100.000 EUR) erforderlich. Wichtig hierbei ist, dass jede natürliche Person, unabhängig von der Stellung im Unternehmen oder anderen subjektiven Kriterien, für derartige Verstöße bestraft werden kann.
Nach Art. 5 Abs. 5 RL 2024/1226 sollen neben einer Freiheitsstrafe auch Geldstrafen und Geldbußen zur Anwendung kommen. Auch der Entzug von Genehmigungen und Zulassungen, das Verbot der Ausübung von Führungspositionen, das Verbot einer Kandidatur für öffentliche Ämter sowie in Einzelfällen, durch Würdigung des öffentlichen Interesses, die Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen können natürlichen Personen durch die Umsetzung der Richtlinie drohen.
Verantwortlichkeit und Strafbarkeit für juristische Personen gemäß Art. 7
Voraussetzung für die Verantwortlichkeit juristischer Personen hinsichtlich Sanktionsverstößen ist, dass eine Straftat zu Gunsten einer juristischen Person begangen worden sein muss (Art. 6 Abs. 1 RL 2024/1126). Diese muss entweder von einer Person in Führungsposition oder durch Unterlassen der Aufsichts- oder Kontrollpflicht der Führungsperson gegenüber einem die Straftat begehenden Mitarbeiter erfolgt sein.
Wichtig hierbei ist, dass hinsichtlich der juristischen Person eine rechtsgültige Vertretungsbefugnis, eine Befugnis zur Entscheidung in deren Namen oder eine Kontrollbefugnis bestanden haben muss. Nur dann ist das Verhalten einer natürlichen Person dem Unternehmen zuzurechnen, und der neue Strafrahmen gemäß Art. 7 Abs. 2 RL 2024/1226 kann zur Anwendung kommen.
Zukünftig drohen juristischen Personen folglich Geldbußen bis zu 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes des vergangenen Geschäftsjahres oder bis zu einem festgelegten Betrag i. H. v. 40.000.000 EUR im Höchstmaß. Bei weniger schwerwiegenden Verstößen kann die Geldbuße mind. 1 % des weltweiten Gesamtumsatzes aber max. 8.000.000 EUR betragen.
Blick in die Zukunft – Wie geht es jetzt weiter?
Die EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, diese neuen Vorschriften bis zum 20. Mai 2025 in nationales Recht umzusetzen.
In Österreich wird die Strafbarkeit von Sanktionsverstößen im nationalen Sanktionengesetz 2010 (SanktG) geregelt. Dieses wird in Anbetracht der neuen Richtlinie novelliert werden müssen. In Deutschland gelten einige der künftig als Straftaten zu ahndenden Sanktionsverstöße bislang lediglich als Ordnungswidrigkeiten. Auch Verstöße gegen das Umgehungsverbot werden aktuell nicht ausdrücklich von §§ 17, 18 AWG erfasst.
Auch im österreichischen Außenwirtschaftsgesetz muss der Anwendungsbereich sowie der Strafrahmen in § 79 AWG im Einklang mit der Richtlinie 2024/1226 verschärft werden.
Sanktionsverstöße können bereits jetzt schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Durch die künftigen Verschärfungen, welche die neue Richtlinie mit sich bringen wird, werden natürliche und juristische Personen noch härteren Strafen ausgesetzt sein. Um dies zu vermeiden, sollten die internen Richtlinien und Handlungsanweisungen, das interne Compliance-Programm sowie die internen Prozesse angepasst und die Mitarbeiter dahingehend geschult werden.
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