Im Jahr 2015 haben mehr als 190 Regierungen auf der ganzen Welt die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet, die darauf abzielt, weitere Fortschritte bei einer Vielzahl von miteinander verbundenen und bereichsübergreifenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zielen zu unterstützen.
Darüber hinaus verpflichteten sich die Unterzeichner des Pariser Abkommens 2015 ehrgeizige Anstrengungen zu unternehmen, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und sogar weitere Bemühungen anzustreben, sodass der Temperaturanstieg auf 1,5°C begrenzt werden kann. Dies impliziert die Notwendigkeit frühzeitiger Maßnahmen um den Höhepunkt der Treibhausgasemissionen so bald wie möglich zu erreichen und danach rasche Reduktionen vorzunehmen.
Vor diesem Hintergrund ergreifen Gesetzgeber in der EU und weltweit Maßnahmen, um wirtschaftliche Aktivitäten zu verändern welche erhebliche negative Auswirkungen auf ESG-Faktoren haben. Während diese Maßnahmen schrittweise eingeführt werden, ist es entscheidend Strategien zu entwickeln, um mit solchen Veränderungen umgehen zu können.
ESG – Environmental Social Governance zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung
Am 23. Juni 2021 hat die EBA ihren Bericht über das Management und die Beaufsichtigung von ESG-Risiken für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen veröffentlicht. Der Report basiert auf dem im Oktober 2020 veröffentlichten EBA Diskussionspapier zu ESG-Risiken sowie den Stellungnahmen während der darauf gefolgten dreimonatigen Konsultationsphase.
Der Bericht, der als eine Art „Playbook“ verstanden werden kann, liefert eine umfangreiche und gut fundierte Darstellung über den aktuellen Stand zu ESG-Risiken sowie den Herausforderungen, die mit deren Einbindung in das Risikomanagement, die Geschäftsmodelle der Banken und in aufsichtsrechtliche Überprüfungsverfahren verbunden sind. Wenngleich die wesentliche Struktur und Inhalte gegenüber dem Diskussionspapier beibehalten worden sind, gibt es an einigen Stellen jedoch wichtige Änderungen, auf die in diesem Beitrag ebenfalls kurz eingegangen werden soll.
Der Report gliedert sich, wie das Diskussionspapier, in vier Hauptabschnitte.
Diese vier Hauptbereiche werden in einer vier-teiligen ESG-Newsletter-Serie von PwC in einem regelmäßigen Abstand von zwei Wochen veröffentlicht. Dies ist der erste Teil und behandelt die Definitionen von ESG-Faktoren, ESG-Risiken und deren Übertragungskanäle.
Bevor ESG-Risiken gemessen und bewertet werden können, ist es von grundlegender Bedeutung die Definitionen von ESG-Faktoren zu klären. ESG-Faktoren weisen eines oder mehrere der folgenden Merkmale auf, die potenziell miteinander verbunden sein können und die hier in einer nicht-hierarchischen Reihenfolge dargestellt werden:
Gemeinsamkeiten der ESG-Faktoren
Sie spiegeln neben den traditionell finanziell orientierten Faktoren, wie Gewinne, Kapital und Kosten, zusätzliche Merkmale wie Treibhausgasemissionen, ökologischer Fußabdruck, Soziales, Armut, Gleichberechtigung und Ethik wieder.
Damit ist die Unsicherheit in Bezug auf den Zeitpunkt der Auswirkungen dieser Faktoren gemeint, da diese Auswirkungen jederzeit (kurz-, mittel- und/oder langfristig) auftreten und Wirkungen über sehr unterschiedliche Zeiträume auslösen können. Es ist jedoch wichtig festzuhalten, dass ESG-Faktoren auch kurzfristig Risiken schaffen.
ESG-Faktoren wie Umweltverschmutzung, allgemeines Wohlergehen der Gesellschaft, Armut, sind für die breite Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung. Sie spiegeln zwar die Auswirkungen einer Summe von Einzelaktivitäten wieder, werden aber nicht in den Jahresabschlüssen erfasst, was bedeutet, dass die Kosten dieser Aktivitäten von Dritten oder der Gesellschaft insgesamt getragen und nicht vollständig von den Marktmechanismen erfasst werden.
Unter Mustern, die sich in der gesamten Wertschöpfungskette ergeben, sind die Auswirkungen der Aktivitäten und Interaktionen eines Unternehmens mit verschiedenen Interessengruppen innerhalb seiner vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten zu verstehen. Im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten kann eine Einheit indirekt über ihre Schuldner und Gläubiger mit verschiedenen ESG-Faktoren konfrontiert sein.
Bemühungen zur Begrenzung des Klimawandels könnten erhebliche regulatorische Verschiebungen implizieren und zu umfassenderen strukturellen Veränderungen führen, die sich nur schwer in Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung einbeziehen lassen.
Auf Grundlage der oben genannten Faktoren werden im Zuge des Reports der EBA ESG-Faktoren wie folgt definiert:
ESG Faktoren sind ökologische, soziale oder Governance-Merkmale, die einen positiven oder negativen Einfluss auf die finanzielle Leistungsfähigkeit oder Solvenz einer Einheit, eines Staates oder einer Einzelperson haben können.
Während ESG-Faktoren positive oder negative Auswirkungen haben können, werden ESG-Risiken für die Zwecke des EBA Reports aus aufsichtsrechtlicher Sicht im Rahmen der aufsichtlichen Überprüfung als negative Materialisierung von ESG-Faktoren definiert. Die EBA definiert ESG-Risiken demnach wie folgt:
ESG-Risiken treten dann auf, wenn die ESG-Faktoren, die sich auf die Gegenpartei von Instituten auswirken, einen negativen Einfluss auf die finanzielle Leistungsfähigkeit oder Solvenz dieser Institute haben.
Der Einfluss der ESG-Faktoren auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Instituts kann nicht nur je nach Geschäftstätigkeit (z.B. Art der Vermögenswerte, Sektor, Größe, geografische Lage und Phase im Lebenszyklus sowie Verbindlichkeiten), sondern auch je nach Strategie des Instituts zu deren Handhabung variieren. Je nach den Geschäftsaktivitäten kann der Begriff der Gegenpartei als Kunde (z.B. ein Unternehmen, eine Einzelperson) oder als Emittent (z.B. ein Staat, eine Körperschaft) verstanden werden.
Die EBA betont in ihrem Report die klare Einbeziehung der beiden Perspektiven „Inside-Out“ und „Outside-In“ in die Betrachtung der ESG-Risiken. „Inside-Out“ betrachtet dabei die Auswirkung der institutseigenen ESG-Strategien, Aktivitäten und Praktiken auf die Umwelt und die Umgebung des Instituts. „Outside-In“ hingegen erfasst die finanziell adversen Effekte vorhandener ESG-Faktoren auf das Institut. Diese explizite Betonung der „Double-Materiality” ist ein Unterschied zum ECB-Guide für Klima- und Umweltrisiken, dessen Gewicht stark auf der „Outside-In“-Perspektive liegt. Die EBA erinnert auch daran, dass ein negatives „Inside-Out“-Verhalten, welches insbesondere durch die diversen Offenlegungsanforderungen den Märkten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, über den Reputationsrisikokanal wiederum zu finanziellen Verlusten führen kann.
Umweltfaktoren stehen im Zusammenhang mit der Qualität und dem Funktionieren der natürlichen Umwelt und der Systeme, die sich auf die Aktivitäten der Gegenparteien der Institute auswirken können. Folglich werden Umweltrisiken von Umweltfaktoren bestimmt. Sie sind als die finanziellen Risiken zu verstehen, die sich aus den Engagements der Institute gegenüber Gegenparteien ergeben, die potenziell zum Klimawandel und anderen Formen der Umweltzerstörung beitragen oder davon betroffen sein können. Die in dem Report vorgestellte Definition von Umweltrisiken, schließt sowohl die Auswirkungen des Klimawandels als auch anderer Umweltfaktoren ein und lautet wie folgt:
Umweltrisiken sind jene Risiken, die sich aus der Exposition von Instituten gegenüber Gegenparteien ergeben und die potenziell durch Umweltfaktoren negativ beeinflusst werden können, einschließlich der Faktoren, die sich aus dem Klimawandel und anderen Umweltzerstörungen ergeben.
Umweltrisiken können sich über drei Hauptübertragungswege materialisieren:
Physische Übertragungskanäle/ physische Risiken sind die Risiken, welche sich aus der Exposition von Instituten gegenüber Gegenparteien ergeben, die möglicherweise durch die physischen Auswirkungen des Klimawandels oder anderen Umweltfaktoren negativ beeinflusst werden können.
Dabei kann zwischen akuten und chronischen physischen Risken unterschieden werden.
Abbildung 2 veranschaulicht beispielhaft einen Kreislauf, wie sich Umweltfaktoren über den Übertragungskanal physischer Risiken in Umweltrisiken manifestieren und sich dann auf die Bilanz von Instituten auswirken können.
Auswirkung eines physischen Risikos auf die Bilanz des Instituts
Transitorische Risiken sind jene Risiken, die sich aus der Exposition von Instituten gegenüber Gegenparteien ergeben, die durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen, klimaresistenten oder ökologisch nachhaltigen Wirtschaft potenziell negativ beeinflusst werden können.
Transitorische Risiken inkludieren insbesondere:
Auswirkung eines transitorischen Risikos auf die Bilanz des Instituts
Physische- und transitorische Risiken interagieren eng miteinander. Als Reaktion auf die Auswirkungen physischer Risiken werden die politischen Entscheidungsträger wahrscheinlich, sofern keine Maßnahmen vorhanden sind, rigorose Maßnahmen zur Risikominderung und Regulierung einführen.
Anders als die beiden zuvor genannten Übertragungskanäle, können Haftungsrisiken nicht nur aus umweltbezogenen Risiken entstehen, sondern auch aus sozialen und Governance-Faktoren. Das Haftungsrisiko bezieht sich auf die Risiken, die sich daraus ergeben, dass Menschen oder Unternehmen eine Entschädigung für Verluste verlangen, die sie aufgrund von ESG-Faktoren erlitten haben könnten, z.B. wenn die Gegenparteien von Instituten für die negativen Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Umwelt, die Gesellschaft und ihre Governance-Faktoren zur Verantwortung gezogen werden.
Soziale Faktoren stehen im Zusammenhang mit den Rechten, dem Wohlergehen und den Interessen von Menschen und Gemeinschaften, die sich auf die Aktivitäten der Gegenparteien der Institute auswirken können. Soziale Faktoren wie (Un-)Gleichheit, Gesundheit, Inklusivität, Arbeitsbeziehungen und Investitionen in Humankapital und Gemeinschaften werden zunehmend in den Geschäftsstrategien und Rahmenbedingungen von Unternehmen, Institutionen und ihren Gegenparteien berücksichtigt.
Die EBA definiert soziale Risiken als:
Risiken, die sich aus der Exposition von Instituten gegenüber Gegenparteien ergeben welche durch soziale Faktoren potenziell negativ beeinflusst werden können.
Umwelt- und Sozialrisiken sind eng miteinander verbunden. Die kontinuierliche Verschlechterung der Umweltbedingungen impliziert erhöhte soziale Risiken, z.B. wenn klimabedingte physische Veränderungen oder Wasserknappheit benachteiligte Teile eines geographischen Gebiets und bereits benachteiligte Bevölkerungsgruppen betreffen. Die Umweltzerstörung kann Migration sowie soziale und politische Unruhen in den an den stärksten betroffenen Regionen verschärfen, mit potenziell verheerenderen Auswirkungen.
Abbildung 6 veranschaulicht, wie die Verletzung sozialer Regeln durch Gegenparteien z.B. zu Rechts- und Reputationsrisiken für sie selbst führen können und sich wiederum auf die Bilanzen der Institute auswirken, welche die Geschäftstätigkeit dieser Gegenparteien finanzieren. In diesem Beispiel können soziale Faktoren wie mangelnde Vielfalt/Diskriminierung, Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten Gegenpartei-Kreditrisiko für Institute angeführt werden. Wenn die an diesen Aktivitäten beteiligten Institute zu einem späteren Zeitpunkt nicht die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, können sie Gefahr laufen, selbst einen Reputationsschaden zu erleiden, z.B. wenn Verbraucher, die für solche Verstöße empfänglich sind, beschließen, ihre Institute zu wechseln.
Auswirkung eines sozialen Risikos auf die Bilanz des Instituts
Governance-Faktoren umfassen die Governance-Praktiken der Gegenparteien der Institute, einschließlich der Einbeziehung von ESG-Faktoren in die Politik und die Verfahren im Rahmen der Governance der Gegenparteien. Diese können auf viele verschiedene Arten zu Governance-Risiken führen. Beispielsweise kann ein schlechter Verhaltenskodex oder mangelnde Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche in einem bestimmten Unternehmen typischerweise dessen (finanzielle und nicht-finanzielle) Ressourcen behindern und damit sein Leistungs- und Ertragspotenzial beeinträchtigen. Darüber hinaus können Kunden und Investoren das Vertrauen in das Unternehmen verlieren, wenn ein solch schlechter Verhaltenskodex öffentlich bekannt wird, was zu Strafen und Anwaltskosten führen und die Fähigkeit des Unternehmens beeinträchtigen kann, längerfristig Geschäfte zu tätigen.
Die Governance spielt auch eine grundlegende Rolle bei der Gewährleistung der Einbeziehung Umwelt- und sozialer Erwägungen durch eine bestimmte Gegenpartei. Das Erkennen der Umwelt- und sozialen Risiken wird als Zeichen guter Governance verstanden. Im Gegenteil, die Vernachlässigung dieser potenziellen Auswirkungen bei der strategischen Planung einer Gegenpartei kann zusätzliche Governance-Risiken schaffen.
Die EBA definiert Governance Risiken wie folgt:
Governance Risiken sind jene Risiken, die sich aus der Exposition von Instituten gegenüber Gegenparteien ergeben welche potenziell durch Governance- Faktoren negativ beeinflusst werden können.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich das Thema ESG, die vielfältig möglichen Ursachen aus den drei Bereichen, sich mannigfaltig auf Institute auswirken können. Deshalb ist es wichtig sich frühzeitig mit diesem Thema und den Auswirkungen/ Handlungsfelder im eigenen Institut auseinander zu setzen. Die Aufsicht hat sich dieses Jahr Green Finance/ Sustainable Finance als einen Schwerpunkt gesetzt und erste Schritte hinsichtlich Integration von ESG in die Bankenaufsicht durchgeführt. Auch abseits der aufsichtsrechtlichen Praxis sollte eine intensive Auseinandersetzung intrinsisch motiviert sein um das eigene Geschäftsmodell nachhaltig fortführen zu können.
Wir haben in unseren Tätigkeiten immer wieder festgestellt, dass Institute die große Bandbreite dieses Themas und die Relevanz für die Zukunft unterschätzen. Gerne teilen wir unsere Expertise mit Ihnen und sind startklar Sie mit PwC-Tools bei der Reise der Integration dieses Themas in ihr Institut zu begleiten.
Lesen Sie im nächsten Teil über quantitative und qualitative Indikatoren, Metriken und Methoden zur Bewertung von ESG-Risiken. Bleiben Sie dran!
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