25/03/22
Die dramatischen Ereignisse in der Ukraine machen uns sehr betroffen. Die Sorgen um die Menschen und um den weiteren Verlauf dieses Krieges bewegen uns alle und machen uns fassungslos. Zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie müssen sich Bilanzierer und Abschlussersteller wieder einmal Gedanken darüber machen, wie sie mit einer weitreichenden Krise bilanziell umgehen sollen.
Selbst Unternehmen, die nicht in den betroffenen Ländern ansässig sind, werden voraussichtlich von den dramatischen Ereignissen in der Ukraine und der Verhängung internationaler Sanktionen für Russland betroffen sein.
Steigende Rohstoff- und Energiepreise, Störungen in Lieferketten, Verwerfungen auf Kapitalmärkten, unzureichende Informationen über Zustände im Kriegsgebiet und ein möglicher Staatsbankrott der Russischen Föderation sind nur die bisher sichtbaren Folgen. Diese Auswirkungen auf betroffene Unternehmen haben Konsequenzen für deren Berichterstattung, die kurz- oder mittelfristig in den IFRS-Abschlüssen der Unternehmen abzubilden ist.
Der Begriff umfasst alle Ereignisse zwischen dem Abschlussstichtag des berichtenden Unternehmens und der Genehmigung zur Veröffentlichung des Abschlusses. Darunter fallen auch Ereignisse, die nach der Ergebnisbekanntgabe oder der Veröffentlichung anderer ausgewählter Informationen eintreten. Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der gesamte Abschluss zur Veröffentlichung genehmigt wird; alle Ereignisse bis dahin sind im Abschluss zu verarbeiten (IAS 10.7).
Ein nicht zu berücksichtigendes Ereignis (non-adjusting event), das nach dem Abschlussstichtag entsteht, weist auf Umstände hin, die nach diesem Stichtag eingetreten sind. Für wesentliche nicht zu berücksichtigende Ereignisse nach dem Bilanzstichtag werden keine Anpassungen der im Abschluss erfassten Beträge vorgenommen (IAS 10.10). Solche wesentlichen Ereignisse werden lediglich im Anhang festgehalten.
Beispiele für nicht zu berücksichtigende Ereignisse sind u.a. (IAS 10.22):
Ein berücksichtigungspflichtiges Ereignis (adjusting event) nach dem Abschlussstichtag verlangt, dass das Unternehmen seine im Abschluss erfassten Beträge anpasst. Eine Anpassung der Posten des Abschlusses erfolgt nur, wenn es sich um ein Ereignis handelt, welches
IAS 10.9 nennt u.a. folgende Beispiele für berücksichtigungspflichtige Ereignisse nach dem Abschlussstichtag:
Anhangangaben, die sich auf am Bilanzstichtag existierende Konditionen beziehen, müssen u.U. aktualisiert werden, um neue, nach dem Stichtag bekannt gewordene Informationen zu reflektieren. Dies muss selbst dann geschehen, wenn die Zahlen in der Bilanz selbst nicht angepasst werden. Ein Beispiel für so ein Ereignis wären nach dem Bilanzstichtag erlangte Informationen, die eine Eventualverbindlichkeit belegen, die schon am Abschlussstichtag bestand (IAS 10.20).
Das Management des Unternehmens hat zu jedem Abschlussstichtag die Fähigkeit zur Unternehmensfortführung zu beurteilen. Dabei ist für mindestens 12 Monate ab dem Abschlussstichtag in die Zukunft zu blicken. Der Jahres- oder Konzernabschluss darf nicht unter der Annahme einer Unternehmensfortführung erstellt werden, wenn das Unternehmen im 12-Monate Zeitraum die Liquidation oder die Einstellung der Geschäftstätigkeit beabsichtigt, oder keine andere realistische Alternative hat, als dies zu tun (IAS 10.14).
Wenn wesentliche Unsicherheiten die Fähigkeit eines Unternehmens zur Fortführung seiner Geschäftstätigkeit in Frage stellen und der Abschluss weiterhin auf der Grundlage der Fortführung des Unternehmens erstellt wird, ist eine vollständige Offenlegung der Unsicherheiten erforderlich (IAS 10.16).
Die erforderlichen Entscheidungen in der Berichterstattung betreffen gegenwärtig besonders den Zeitpunkt der Erfassung der Effekte sowie die sich ergebenden zusätzlichen Angabe- und Ausweiserfordernisse. Um zu entscheiden, ob es sich um ein nicht zu berücksichtigendes, oder ein berücksichtigungspflichtiges Ereignis nach IAS 10 handelt muss das Ende des Geschäftsjahres des Unternehmens in Betracht gezogen werden (Stichtagsprinzip).
Obwohl es seit langem geopolitische Spannung zwischen den zwei Ländern gab, war bis zum 23.02.2022 keine eindeutige Bedrohung einer Invasion durch Russland gegeben. Die Eskalation der Lage im Februar 2022 liefert keine weiteren Belege über die Lage am oder vor dem 23.02.2022. Daher handelt es sich bei den Folgen des Russland-Ukraine-Konflikts für Abschlüsse, deren Geschäftsjahr zum 23.02.2022 oder früher (z.B. zum 31.12.2021) endet um nicht zu berücksichtigende Ereignisse nach IAS 10 (non-adjusting event).
Somit kommt es für solche Abschlüsse zu keiner Anpassung der Posten des Abschlusses, sollten sich die Ereignisse zwischen dem Abschlussstichtag und der Unterzeichnung des Abschlusses ereignet haben. Sollten sich die Folgen für das Unternehmen aber als wesentlich ergeben, sind die Ereignisse samt ihren geschätzten finanziellen Auswirkungen im Anhang anzugeben (IAS 10.21). Die hierzu gegebenen Angaben müssen klar und unternehmensspezifisch sein. Ist eine Schätzung des finanziellen Effekts eines Ereignisses nicht möglich, hat ein Unternehmen diese Tatsache anzugeben (IAS 10.21).
Dabei ist sicherzustellen, dass die Bewertung von Vermögen und Schulden nur die zum Bilanzstichtag bestehenden Bedingungen widerspiegelt. Demzufolge sind die Entwicklungen und die Ereignisse, die nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind, bspw. bei der Beurteilung folgender Sachverhalte nicht zu beachten:
Ausgenommen vom Stichtagsprinzip des IAS 10 ist der Wegfall der Annahme der Unternehmensfortführung. Unternehmen müssen daher besonders kritisch prüfen, ob Entwicklungen nach dem Abschlussstichtag Auswirkungen auf die Annahme der Unternehmensfortführung haben.
Für Unternehmen, deren Geschäftsjahre und (Zwischen-)Berichtsperioden am oder nach dem 24.02.2022 enden (z.B. 28.02.2021), ist zu prüfen, in welchem Umfang Anpassungen und zusätzliche Angaben in den Abschlüssen notwendig sind. Dabei sind besonders die oben genannten Sachverhalte zu berücksichtigen.
Auch zu Zeitpunkten, zu denen bereits Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts erfasst werden, werden voraussichtlich weiterhin Unsicherheiten in der Bilanzierung bestehen. Im Anhang sind wesentliche Quellen kurzfristiger Schätzungsunsicherheiten anzugeben. Die Unternehmen haben dabei zu erläutern, welchen Unsicherheiten sie unterliegen und in welcher Höhe Posten unsicher sind (IAS 1.125). Darüber hinaus können weitere Erläuterungen und Sensitivitätsanalysen geboten sein (IAS 1.129). Unsicherheiten können sich beispielsweise aus der Dauer und dem Ausmaß des Konflikts ergeben.
Viele Auswirkungen auf die Bilanzierung ergeben sich direkt aus der Geschäftstätigkeit des Unternehmens; andere ergeben sich aus der Reaktion der globalen Finanz- und Rohstoffmärkte. Damit sind die Quellen bilanzieller Auswirkungen je Unternehmen unterschiedlich. Hinsichtlich einzelner Posten und Bilanzierungsbereiche können bereits jetzt absehbare bzw. erkennbare Auswirkungen erkannt werden:
Die IFRS erlauben weder in der Ergebnisrechnung noch im Anhang die Darstellung außerordentlicher Posten (IAS 1.87). Wesentliche Erträge bzw. Aufwendungen sind indes gesondert hinsichtlich Betrag und Art auszuweisen (IAS 1.97). Dazu könnten auch die Folgen des Russland-Ukraine-Konflikts gehören. Dies betrifft insbesondere Wertminderungen oder spätere Wertaufholungen auf Sachanlagen und Vorräte (IAS 1.98). Jedenfalls wäre ein gesonderter Ausweis Konflikt-bezogener Posten innerhalb der Vorgaben des IAS 1 klar und trennscharf zu erläutern (IAS 1.112).
Weitere Informationen iZm dem Konflikt veröffentlichen wir immer wieder, da sich die Situation noch laufend entwickelt. Sie finden diese Informationen bzw. Hinweise darauf unter www.pwc.at/ifrs.
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