Wie weit ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung im öffentlichen Sektor?

Im privaten Sektor wird die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen immer mehr zum Trend. Während viele Unternehmen bereits freiwillig Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen und diese auch vermehrt prüfen lassen, werden die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) viele Unternehmen künftig sogar zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichten. Diese rasante Entwicklung im privaten Sektor spiegelt sich noch nicht im öffentlichen Sektor wider. Aber was ist der aktuelle Stand der Nachhaltigkeitsberichterstattung für öffentliche Akteure?

Der Status Quo

Die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen stellen einen häufigen Anknüpfungspunkt öffentlicher und privater Akteure für ihre Nachhaltigkeitsstrategien und -Berichterstattung dar. Die SDGs wurden 2015 im Rahmen der Agenda 2030 beschlossen und beinhalten 17 Ziele für Frieden und Wohlbefinden für Mensch und Umwelt. Darunter fallen unter anderem die Bekämpfung von Armut und Ungleichheiten, der Schutz von Klima und Natur und die Sicherstellung von medizinischer Versorgung und Bildung. Die 17 Ziele bestehen aus 169 konkreten Vorgaben und Maßnahmen bezogen auf das Jahr 2030. Die SDGs haben sich als Meilenstein für nachhaltige Entwicklung etabliert und bilden einen gern genutzten Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. So ordnen viele Organisationen ihre Ziele und Maßnahmen einzelnen SDGs zu und diese können einen Anhaltspunkt dafür geben, ob umfassend geplant und berichtet wird. Jedoch sind die Maßnahmen und Indikatoren für die gesamtgesellschaftliche Ebene formuliert und können nur bedingt auf einzelne Akteure, sei es private oder öffentliche Organisationen, heruntergebrochen werden.

Es gibt bereits einige Beispiele öffentlicher Einrichtungen, die sich bei der Offenlegung ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen am Rahmenwerk der SDGs orientieren. Die Marktgemeinde Kremsmünster hat beispielsweise 2018 damit begonnen, sich systematisch der Umsetzung der SGDs zu widmen und hat dafür das Tool „GemeindeNavi Agenda 2030“ entwickelt. Für ihre Bemühungen wurde Kremsmünster 2020 mit dem Austrian SDG-Award ausgezeichnet. Unter Einbeziehung verschiedener Bevölkerungsgruppen hat die Gemeinde kürzlich ein neues “Zukunftsprofil 2020” aufgesetzt. Auch öffentliche Unternehmen orientieren sich an der Agenda 2030. So berichtet  VERBUND als Unternehmen in öffentlicher Hand über seinen Beitrag zu den SDGs in der Broschüre “Energie mit Verantwortung - Nachhaltige Lösungen für die Zukunft”. Dort werden unterschiedliche Projekte vorgestellt und konkreten Zielen zugeordnet, wobei SDG 7 Bezahlbare und saubere Energie im Zentrum des Geschäftsmodells steht.

Daneben gibt es die Global Reporting Initiative (GRI), die als Goldstandard der Nachhaltigkeitsberichterstattung im privaten Sektor gilt. Die Initiative hat eine Reihe von themen- und sektorspezifischen Standards zu Umwelt-, Sozial- und Governancethemen veröffentlicht, die die Offenlegung konkreter Indikatoren auf Organisationsebene fordern. Während GRI nicht per se auf den privaten Sektor begrenzt ist, sind die verlangten Informationen jedoch auf Unternehmen zugeschnitten. Besonderheiten des öffentlichen Sektors sind nicht ausreichend berücksichtigt. 

Der Weg zu einem Standard für den öffentlichen Sektor

Was bisher fehlt, ist ein einheitliches Rahmenwerk für Nachhaltigkeitsberichterstattung, das auf die Besonderheiten des öffentlichen Sektors zugeschnitten ist. Entwicklungen in diese Richtung sind sehr frisch. Erst im Jänner 2022 forderte die Weltbank das International Public Sector Accounting Standards Board (IPSASB), den Standardsetzer für öffentliche Rechnungslegung, dazu auf, einen Beratungsprozess bezüglich der Unterstützung eines Entwicklungsprozesses solcher Standards anzuführen. Als Reaktion darauf veröffentlichte das IPSASB im Mai das Konsultationspapier “Advancing Public Sector Sustainability Reporting”, um den Bedarf von Stakeholdern für solche Leitlinien einzuholen. Insgesamt 70 Rückmeldungen zum Papier gingen ein. Darüber hinaus wurden die Mitgliedern der Consultative Advisory Group nach ihrem Input gefragt sowie fünf regionale, virtuelle Roundtables abgehalten.

Im Dezember 2022 wurden die Rückmeldungen  auf den konsultativen Prozess vom IPSASB zusammengetragen und analysiert. Dabei wurden die folgenden sechs Kernthemen identifiziert:

  • Anpassung der Standards für den öffentlichen Sektor

  • Grad der Verpflichtung zur Berichtslegung

  • Prioritäre Themen

  • Umfang des Berichtswesens

  • Konzeptionelles Rahmenwerk

  • Notwendige Nachhaltigkeitsexpertise

Viele Stakeholder merkten an, dass bisherige Standards spezifisch für den privaten Sektor geschrieben sind und sich auf die Bedürfnisse von Investor:innen fokussieren. Während die potentielle Zusammenarbeit mit anderen Standardsettern in diesem Bereich, wie GRI, von den Befragten befürwortet wurde, ist die Anpassung an die speziellen Herausforderungen und Bedürfnisse öffentlicher Akteure besonders zu beachten. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob ein solches Rahmenwerk für Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtend oder freiwillig sein sollte. In Bezug auf priorisierte Themen gab es unterschiedliche Ansichten, ob ein Fokus auf umwelt- und klimabezogene Auswirkungen oder auch auf soziale und Governance-Themen in Orientierung an den SDGs gelegt werden sollte. Bezüglich des Umfangs solcher Leitlinien müssen vielfältige Entscheidungen wie die Festlegung der Ziele, Zielgruppe und Wesentlichkeit getroffen werden. Es wurde außerdem die Frage aufgeworfen, ob das konzeptionelle Rahmenwerk der IPSAS in seiner derzeitigen Form ausreichend ist, um Nachhaltigkeitsberichterstattung einzuschließen, oder ob Änderungen nötig sind. Zuletzt muss das IPSASB seine Expertise im Bereich Nachhaltigkeit ausbauen, um einen glaubhaften und qualitativ hochwertigen Standard entwickeln zu können. 

Ausblick

Eine nachhaltige Gesellschaft benötigt die Zusammenarbeit vieler Interessensgruppen und den Ausgleich von Interessen, Chancen und Risiken. Nur so kann die gesamtgesellschaftliche Veränderungsenergie aufgebracht werden, ohne zu schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Spannungen zu führen. Dafür müssen die öffentlichen Institutionen ihre Rollen umfassend, aktiv und innovativ gestalten. Eine Ausweitung der Berichtspflicht auf den öffentlichen Sektor führt auch zu einheitlichen Spielregeln, einem gemeinsamen Verständnis für die Herausforderungen und einer Erhöhung der Glaubwürdigkeit der behördlichen Eingriffe.

Kontakt

Bernhard Schatz

Bernhard Schatz

Director, PwC Austria

Tel: +43 699 163 056 73

Lara Breitmoser

Lara Breitmoser

Associate, PwC Austria

Tel: +43 699 163 001 85

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